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Einführung
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Die Geschichte der Ukraine umfasst die Entwicklungen auf dem Gebiet des heutigen Staates Ukraine von der Urgeschichte bis zur Gegenwart.
Ur- und Frühgeschichte
Das Gebiet der heutigen Ukraine wurde schon während des Paläolithikums besiedelt. Während der Jungsteinzeit bestand in der Südukraine von etwa 6500 bis 5000 v. Chr. die Bug-Dnister-Kultur. Ihr folgte die Dnepr-Don-Kultur bis 4000 v. Chr. Darauf folgte die Sredny-Stog-Kultur von 4500 bis 3500 v. Chr. Derijiwka, einer der bekanntesten mit dieser Kultur in Verbindung gebrachten Ausgrabungsorte, liegt in der zentralukrainischen Oblast Kirowohrad. Am Übergang von der Jungsteinzeit zur Kupfersteinzeit gehörte die heutige Ukraine zu den Ursprungsregionen der vermutlich halbnomadischen Kurgankultur, die auf die Zeit von 4400 v. Chr. bis 4300 v. Chr. geschätzt wird – dies ist jedoch wissenschaftlich nicht gänzlich unumstritten (vgl. Kritik an der Kurgantheorie und spätere Forschung).
Die Kurgankultur wurde in der späten Kupfersteinzeit/frühen Bronzezeit von der Jamnaja-Kultur abgelöst bzw. ist in ihr aufgegangen. In der Nähe von Dnipro gibt es den „Storoschowa mohyla“-Kurgan in dem A. I. Terenozhkin Reste eines Karrens (vgl. Wagen) ausgegraben hat. Aus dieser Zeit stammen vermutlich auch die Stein-Babas (ukrainisch Баби кам’яні; russisch каменные бабы) – deren größte Sammlung innerhalb der Ukraine sich in Dnipro (siehe Stein-Babas von Dnipropetrowsk), befindet – durch ihre über 3000-jährige Geschichte sind sie sicherlich nicht nur das Produkt eines Volkes; die frühesten werden jedoch mit der Jamnaja-Kultur, die eisenzeitlichen Exemplare mit den Skythen und die mittelalterlichen mit verschiedenen Turkvölkern in Verbindung gebracht.
Der Jamnaja-Kultur folgte in der Bronzezeit etwa von 2800/2500 bis 2000 v. Chr. die Katakombengrab-Kultur die ihren Namen von den von ihnen angelegten Katakomben hat, deren unterirdischer Teil am ehesten mit den ägyptischen Mastabas vergleichbar sind. In der Spätbronzezeit folgte die Srubna-Kultur im 20. bis 12. vorchristlichen Jahrhundert (2000–1200 v. Chr.).
Im 5. Jahrhundert v. Chr. siedelten sich an der ukrainischen Schwarzmeerküste und insbesondere der Krim pontische Griechen an und gründeten Kolonien. Sie sind es auch, die vom Volk der Taurer – woher auch der Name Taurien für die Krim abgeleitet wurde – berichten, die sie als ein Volk von Hirten beschreiben.
An der Straße von Kertsch – in antiken griechischen Quellen „Kimmerischer Bosporus“ genannt – lebte um 1300 v. Chr. das Volk der Kimmerer, bis es von den Skythen in Richtung Kaukasus verdrängt wurden. Das Steppengebiet im Süden der Ukraine war Teil des sogenannten Wilden Feldes, das in der Antike (8./7. Jahrhundert v. Chr.) von den iranischsprachigen Reitervölkern der Skythen und später von den ihnen nahestehenden Sarmaten, die im 4./3. Jahrhundert v. Chr. die Skythen unterwarfen und assimilierten, bewohnt wurde.
Im Norden und Westen der heutigen Ukraine, jedoch auch in Weißrussland befand sich die Sarubinzy-Kultur, die vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 1. Jahrhundert n. Chr. bestand, die vermutlich Handel mit den Städten am Schwarzen Meer getrieben haben. Der Fund vieler Pflüge deutet darüber hinaus auf die hohe Bedeutung des Ackerbaus hin.
Völkerwanderungszeit
Vom 2. bis Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. hat sich auf dem Gebiet der heutigen Ukraine auch die mit den Ostgoten assoziierte Tschernjachow-Kultur gebildet, da die Goten zu dieser Zeit aus dem Weichselraum an die Küsten des Schwarzen Meeres drängten. Daneben gab es nördlich der Tschernjachow-Kultur noch die Kiewer Kultur, die ebenfalls auf das 2. und bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. datiert wird. Die Krimgoten lebten noch bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts, bis sie vom aufkommenden Chasarenreich unterworfen und assimiliert wurden – wobei sie vermutlich die hier ansässigen Aorsen, den damals größten Stamm der Sarmaten, über einen Zeitraum von 20 Jahren allmählich besiegten. Um das Jahr 374 sollen die ersten Hunnen unter ihrem Führer Balamir die Wolga überquert haben und dabei das Reich der Alanen zerstört haben, um mit ihnen anschließend ein Bündnis zu schließen. Durch den Druck aus Osten wurden wohl auch die skythischen Stämme der Jazygen und der Roxolanen in Richtung Westen (am wahrscheinlichsten auf den Balkan) verdrängt. Im Jahre 375 erfolgte dann die Zerstörung des Greutungen (Ostgoten) Ermanarichs (vgl. vor allem Ammianus Marcellinus, 31, 2f.), spätestens hier beginnt der Hunnensturm.
Im vierten Jahrhundert könnten auch die Protobulgaren im Zuge der Völkerwanderung mitgerissen worden sein. Diese siedelten sich im sogenannten „Onoguria“ an und weiteten ihr Reich über die heutige Süd- und Ostukraine aus. In der ausgehenden Spätantike siedelten sich wohl auch die aus Norden kommenden Slawen erstmals in dem Gebiet an, wobei einige auch (zusammen mit den Bulgaren) in Richtung Balkan gezogen sein könnten. Nach dem Weiterziehen der Hunnen und der von ihnen in Richtung Westen vertriebenen Völker entstand in der gesamten (Süd-)Ukraine ein Machtvakuum. Im 6. Jahrhundert teilten sich diese frühen Bulgaren vermutlich in Kutriguren, welche weiter in Richtung Westen drängten, und die Utiguren, die am Don verblieben waren und wahrscheinlich das Großbulgarische Reich gründeten, zu dem große Teile der Süd- und Ostukraine gehörten. Was mit den Onoguren, einem weiteren Stamm, der mit den Protobulgaren in Verbindung gebracht wird, passierte, ist unklar. So wurde das Gebiet der ganzen Südukraine jedoch zum Durchzugsgebiet der Bulgaren aus ihrer Heimat, die vermutlich an der Wolga lag. Im 7. Jahrhundert zogen die Bulgaren insbesondere unter ihrem Anführer Kubrat allmählich immer weiter in das heutige Bulgarien, wobei ein Teil vermutlich den Staat der Wolgabulgaren bildete. Zu dieser Zeit gehört auch der Fund des bedeutenden Schatzes von Mala Pereschtschepyna bei Poltawa.
Frühmittelalter
Das frühe Mittelalter umfasst die Zeit der Entstehung und Aufstieg der Rus, einschließlich Feldzüge gegen die Kumanen und Chasaren und Petschenegen, wobei die Herrschaft von Wladimir dem Großen und seinem Sohn Jaroslaw dem Weisen als Zenit der Entwicklung der Rus gilt.
Chasarenreich und Magyarenwanderung
Während der Zeit des europäischen Frühmittelalters wurde die Ostukraine etwa um das Jahr 750 Teil des Chasarenreiches. Außerdem gehörte es zum Handelsnetz der Radhaniten; diese jüdischen Kaufleute stellten etwa vom 8. bis zum 11. Jahrhundert die Handelsbeziehungen zwischen den verfeindeten Ländern des Abendlandes und der Islamischen Welt sicher und betrieben dabei sogar Handel mit Indien und China – dies stellt wahrscheinlich die beste Begründung für die Wichtigkeit des Judentums im Chasarenreich dar. Die Magyaren, die um das Jahr 600 n. Chr. noch im Wolgagebiet lebten, siedelten sich um das Jahr 900 n. Chr. im Gebiet zwischen Dnister und Dnepr an – vermutlich das von den Magyaren sogenannte Etelköz (wörtlich: Land zwischen den Flüssen) an der Westgrenze des Chasarenreiches, dem sie tributpflichtig waren. In dieser Zeit schlossen sich ihnen auch die Kabaren an – drei Stämme, die gegen das Chasarenreich rebellierten – und zogen aufgrund des Drucks der Petschenegen aus den Weiten der Eurasischen Steppengebiete und der mit ihnen verbündeten Bulgaren unter Zar Simeon I. in Richtung Westen in die Karpaten. Nach dem Niedergang des Chasarenreiches kamen die Reitervölker der Petschenegen, Kumanen sowie die Goldene Horde.
Gründung und Aufstieg der Rus
Im 9. Jahrhundert errichteten ostslawische Stämme unter dem Einfluss skandinavischer Waräger an den Handelswegen von Skandinavien und Nowgorod nach Süden in Richtung Konstantinopel ein lose verfasstes Großreich mit der Hauptstadt Kiew, die „Kiewer Rus“. Dessen Herrscher Wladimir der Große (reg. 980–1015) entschied sich im Jahre 988 für die Annahme des Christentums nach östlichem Ritus. Der Süden der heutigen Ukraine wurde bis ins 13. Jahrhundert von nomadischen Steppenvölkern, insbesondere den Petschenegen und später den Kyptschaken (Kumanen, „Polowzern“; ukrainisch Половці), beherrscht.
Bezeichnungen „Russen“ und „Ruthenen“
Der Begriff Ruthenen wurde in erster Linie von der katholischen Kirche eingeführt, um die Bevölkerung der Rus' nach orthodoxem und katholischem Christentum zu unterscheiden. Seit der Trennung der römischen und der byzantinischen Kirche im Jahr 1054 („Schisma von 1054“) gab es lange Zeit einen Konflikt (die gegenseitige Exkommunikation wurde erst 1965 für beendet erklärt), der auch zu einem Wettbewerb um Einfluss auf die Rus' und die nachfolgenden Staaten führte.
Julian Pelesz, Lemberger Metropolitan-Consistorial-Rathe, Pfarrer zur heil. Barbara und Rektor des griechisch-katholisches Central-Seminars in Wien schrieb im 1878: Mit dem Namen „Ruthenen“ wurden zuerst die in Südgallien ansässigen Slaven genannt [...] welche Alle sich wahrscheinlich zur römischen Kirche bekannten. Die Russen in ihrem Heimatlande dagegen führten den Namen Rus. Als aber im 12. Jahrhunderte ein Theil der Russen zum photianischen Schisma abfiel, der andere aber der katholischen, mit Rom vereinigten Kirche treu blieb, hat der römische Stuhl die mit Rom in Glaubenseinigkeit lebenden Russen mit dem Namen Ruthenen benannt, zum Unterschiede von den nördlichen Russen, welche dem Schisma anhingen. Später, als Südrussland [Ukraine] unter die polnische Herrschaft kam, übertrug man den Namen Ruthenus, Ruthenia, auf die unter polnischer Herrschaft lebenden Russen, welche zum größten Teil mit Rom vereinigt waren. Heutzutage führen diesen Namen die österreichischen Ruthenen und der römische Stuhl benennt damit die mit Rom unirten Russen, zum Unterschiede von den schismatischen Russen. Der Name „Russinen“ ist neuesten Datums, und hat keine historische Grundlage. Der Name „Moskovite“ ist offenbar auch in späterer Zeit, nach der Gründung Moskaus entstanden.
Hochmittelalter
Nach kultureller und wirtschaftlicher Blüte begann im 12. Jahrhundert der Niedergang der Rus mit zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Fürstentümern.
Kämpfe zwischen Fürstentümern
Das Fürstentum Kiew, Fürstentum Nowgorod, Fürstentum Galizien (später Fürstentum Galizien-Wolhynien), Fürstentum Wladimir (später Fürstentum Wladimir-Susdal), Fürstentum Sewerien, Fürstentum Smolensk, Fürstentum Polotzk haben sich oft auch mit der Unterstützung von ausländischen Armeen gegenseitig bekämpft. 1169 eroberte der Fürst von Wladimir-Susdal Kiew, brannte es nieder, eignete sich den Titel des Großfürsten an und setzte in Kiew seinen Sohn als Fürsten ein. 1202 nahm Roman von Halytsch-Wolhynien Kiew in Besitz und leitete daraus einen Anspruch auf die Würde des Großfürsten ab, aber schon im Folgejahr verlor er die Stadt an die Fürsten von Perejaslawl.
Bezeichnung „Ukraine“ und „Rot Ruthenien“ (Rotreussen)
Der Begriff Ukraina wurde erstmals 1187 in der Hypatiuschronik für die südwestlichen Gebiete des Kiewer Reiches, später für das galizisch-wolhynische Gebiet verwendet. Es wird immer noch gestritten, ob der Begriff Ukraina das „Grenzland“ oder einfach ein „Land“ bedeutet. Nach Ludwig Albrecht Gebhardi, der sich in seiner „Geschichte des Großfürstenthums Siebenbürgen und der Königreichen Gallizien, Lodomerien und Rothreussen“ auch auf Nestor bezieht, war das Gebiet zwischen Kiew und Tscherkassy bis zum Rotburgenland als Rotruthenien bekannt und stellte den größten Teil der Rus dar.
Auf einer Reihe von Karten, darunter „Ukrania quae et Terra Cosaccorum cum vicinis Walachiae, Moldoviae“ (1720) von Johann Baptiste Homann, werden die Namen Ukraine, Rotes Ruthenien und Kiewer Herzogtum zur Beschreibung derselben Region verwendet. Bezogen auf die heutige Ukraine war dieser Name lange Zeit eine enge Regionalbezeichnung für die Gebiete am mittleren Dnepr.
Im Vorwort zur russischen Übersetzung des Textes „Rys historyi narodu Ruskiego w Galicyi i hierarchii cerkiewnej w témze krolestwie“ (auch bekannt als „Materiaty do napisania historyi narodu Ruskiego w Galicyi, a t.d.“) und dessen zweiter Teil „Utomek z obszerniejszego history narodu Ruskiego w Galicyi, zawierający krytyczuo-historezne badania od roku 1340 do 1492“ von Denys Zubrytsky, das 1845 in Moskau unter dem Titel Kritischer und historischer Bericht über die Rote und Galizische Rus veröffentlicht wurde, erwähnt der Ossip Bodjanski sechs Teile der Rus – Rote, Kleine, Große, Schwarze, Weiße und Karpatische Rus – und stellt fest, dass Rotruthenien die „älteste“ von ihnen sei. Auch die Kosaken von Klein-Rus werden erwähnt, sowie dass Süd- und Westruthenien (Rus) aus polnisch-litauischer Perspektive manchmal als das Gegenteil von Ost- und Nordruthenien (Rus) dargestellt wird.
Frühere Hinweise auf Rotrussland finden sich in Jan Hallers Elucidarius errorum ritus Ruthenici (1501), wonach die Russen in drei Gruppen eingeteilt werden: die Weißrussen, die Moskau untergeordnet sind, die Walachen und die Rotrussen, die dem Polnisch-Litauischen Staat angehören.
Goldene Horde
Nach ersten Konflikten in den 1220er Jahren zwischen Europäern und den Mongolen unter Dschingis Khan, insbesondere der Schlacht an der Kalka, drangen die Mongolen weniger als 20 Jahre später, diesmal unter Batu Khan, einem Enkel Dschingis Khans, bis nach Mitteleuropa vor. Die Belagerung von Kiew (1240) während des zweiten der beiden Feldzüge markiert nach dem Verständnis der meisten Historiker das Ende der Kiewer Rus. Danach gewannen die Armeen der Goldenen Horde die Schlacht am 9. April 1241 in der Schlacht bei Liegnitz (Polen) und zwei Tage später in der Schlacht bei Muhi (Ungarn). In der europäischen Geschichtsschreibung werden diese beiden Phasen der mongolischen Eroberungen als Mongolensturm bezeichnet.
Die Mongolen (von den Rus zum Teil auch als „Tataren“ bezeichnet) begründeten das Reich der Goldenen Horde – zu einem wesentlichen Teil auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Während sie selbst hauptsächlich an Wolga und Kama siedelten, stellten sie sich jeweils an die Spitze der Elite der eroberten Kultur und beherrschten diese und zahlreiche Nachbarvölker durch ein System von Tributzahlungen, Geiseln und Strafexpeditionen: Nach Eroberung wurden oftmals die wehrfähigen Männer in das mongolische Heer eingegliedert, eingesessene Herrscher belassen, Familienangehörige jedoch als Geiseln genommen und ein Statthalter eingesetzt (darughachi auf Russisch, داروغه darougheh auf Persisch, basqaq auf Türkisch), der entweder vor Ort verblieb oder jährlich wiederkehrte. Er stellte die Ablieferung des Tributs an den jeweiligen Khan sicher und gewährleistete, dass der Vasallenstaat keine Politik verfolgte, die jener des Mongolischen Reiches entgegenstand. Stieß dem Statthalter etwas zu oder berichtete er dem Khan von Ungehorsam, wurden die zuvor genommenen Geiseln umgebracht und Strafexpeditionen gegen den Vasallenstaat unternommen.
Die Masse der Bevölkerung der Goldenen Horde wurde jedoch nicht von Mongolen gestellt. Die Zentren des Staates bildeten die Städte Sarai in Astrachan, Neu-Sarai (auch Berke-Sarai), Bolgar, Kasan und Asow. Im 13. Jahrhundert eroberten mongolische Nomadenstämme aus Asien („Goldene Horde“) die Herrschaft über alle russischen Staaten außer der Republik Nowgorod und Pskow. Die Goldene Horde war vom 13. bis zum 15. Jahrhundert eine dominierende Macht Osteuropas.
Spätmittelalter
Nach der Plünderung von Kiew 1240 weichen die historischen Perspektiven der russischen und ukrainischen Historiker voneinander ab: die einen konzentrieren sich auf das Fürstentum Wladimir-Susdal, die anderen auf das Fürstentum Galizien-Wolhynien. Natürlich war die Kirche (genauer gesagt die Orthodoxen und Katholischen Kirchen) ein wichtiger Bestandteil des Machtkampfes in dieser Zeit. Dieser Machtkampf konnte durch den Umstand, dass Krim-Khanat im Süden der Ukraine unter dem Einfluss der Osmanen stand und somit islamisch war, nur noch verschärft werden.
Halytsch-Wolhynien, Litauen, Polen und Krim-Khanat
Eine eigenständige Bedeutung erlangte ab dem 12. Jahrhundert das westukrainische Fürstentum Halytsch-Wolhynien (siehe auch Wolhynien und Geschichte Galiziens). Im 13. Jahrhundert musste es die Oberhoheit der Goldenen Horde akzeptieren und dem militärisch stärkeren Kontrahenten Wladimir-Susdal widerstehen. So suchte es Unterstützung im Westen und 1253 ließ sich Daniel Romanowitsch von Galizien von einem päpstlichen Legaten zum Rex Rusiae („König von Russland“) krönen.
Der Süden der heutigen Ukraine wurde zu einem eigenständigen, unter osmanischer Schutzherrschaft stehenden Krim-Khanat. Große Teile der Steppengebiete in der heutigen Südukraine wurden in der Zeit 1368–1783 von den Nachfahren der Nogaier-Horde, den Schwarz-Nogaiern, beherrscht und in Gemengelage besiedelt. Viele als „Krimtürken“ aufgefasste Nomaden waren in Wirklichkeit Nogaier.
Im 14. Jahrhundert zerfiel das Fürstentum, sein nordöstlicher Teil wurde, wie auch die zentralukrainischen Gebiete am Dnepr mit Kiew, nach der Schlacht am Irpen Teil des Großfürstentums Litauen (siehe Geschichte Litauens). Den südwestlichen Teil des Fürstentums, („Rotruthenien“, „Galizien“) eroberte Kasimir der Große von Polen Mitte des 14. Jahrhunderts (siehe Geschichte Polens).
Zwischen Rom und Konstantinopel
Die Krönung Daniel Romanowitsch von Galizien durch Papst als Rex Rusiae („König von Russland“) im 1253 war nur durch den Übergang zum Katholizismus möglich. 1299/1305 erreichten die Großfürsten von Vladiimir-Susdal die Übersiedlung des orthodoxen Metropoliten aller Russen nach Wladimir.
Laut Georgi Wernadski wurde der Name „Klein-Rußland“ (Russia Minor) zum ersten Mal von Jury I. verwendet, als er 1303 auf Forderung des Patriarchen von Konstantinopel eine metropolitanische Kathedra in Halytsch errichtete. Zu dieser Zeit waren ihm folgende Eparchien unterstellt: Wolodymyr-Volynsky, Holm, Peremyshl, Luzk und Turow. Nach Wernadski bezog sich der Begriff „Kleinrussland“ ursprünglich also nur auf die Fürstentümer Galizien, Wolhynien und Turow. Der Name Großrussland wurde erstmals 1347 in einem Erlass über die Abschaffung der Metropole Halytsch verwendet.
Auf die Drohung König Kasimirs III. von Polen hin, seine russischen Untertanen katholisch taufen zu lassen, wurde 1371 der Bischof Antonios von Galitza (Halitsch) zum Metropoliten erhoben und ihm auch die Bistümer von Cholm, Przemyśl und Wolodymyr unterstellt. Erst 1375 setzte der Patriarch von Konstantinopel, Philotheos Kokkinos, mit Kiprian einen neuen Metropoliten von Kiew ein, zunächst mit dem Anspruch, nach dem Tode des in Moskau residierenden Metropoliten Alexej alle orthodoxen russischen Christen zu betreuen.
In der griechisch-byzantinische Urkunde aus dem Jahr 1380 im Zusammenhang mit den Aktivitäten zur Einsetzung Kiprians als Metropolit von Kiew wird der Norden mit Nowgorod und Moskau als Großrussland, den Süden als Kleinrussland erwähnt.
Frühe Neuzeit
Zwischen Polen-Litauen und Zarenreich Russland
Im durch die Lubliner Union von 1569 gebildeten litauisch-polnischen Doppelstaat wurden auch die bisher zu Litauen gehörenden ukrainischen Gebiete der polnischen Krone unterstellt. Im Gegensatz zu der bisherigen liberalen Politik Litauens nahmen ab diesem Zeitpunkt die wirtschaftliche und religiöse Unterdrückung der orthodoxen Bevölkerung durch Polen zu. Um die religiöse Spaltung zu überwinden, wurde die Idee einer „Wiedervereinigung“ von katholischer und orthodoxer Kirche in Litauen-Polen verfolgt. Deren konkrete Umsetzung in der Kirchenunion von Brest 1596 stieß aber auf viel Widerstand unter den Ruthenen: Die neu geschaffene griechisch-katholische Kirche, die den östlichen Ritus beibehielt, aber dem Papst unterstellt war, wurde von vielen nicht akzeptiert, da sie organisatorisch nur als Anhängsel der Westkirche wirkte. Weitere Ursache für Konflikte war die Tatsache, dass der ukrainische Adel nicht als gleichberechtigte dritte Stütze des Staates neben den Polen und Litauern anerkannt wurde.
Der Rest der Ukraine stand zur gleichen Zeit unter der Herrschaft des Zarenreich Russlands.
Kosakenstaat
Gegen den Widerstand der polnisch-litauischen Adligen errichtete Bohdan Chmelnyzkyj 1648 durch einen Vertrag mit dem polnischen König Jan Kazimierz einen eigenständigen ukrainischen Kosakenstaat (Hetmanat) mit Regierungssitz in Tschyhyryn, der aber 1651 durch Bündnisse mit Russland und dem Osmanischen Reich wieder in Abhängigkeiten geriet. Daraufhin wurde die Ukraine zwischen Polen, welches die Rechtsufrige Ukraine erhielt, und Russland, das die linksdneprischen Gebiete bekam, geteilt. Im russischen Teil der Ukraine begann der Aufstieg der Russischen Sprache in der Ukraine, während im polnischen Teil die schon lange anhaltende Polonisierung weitergeführt wurde. Die dreißig Jahre zwischen dem Tod Chmelnyzkyis 1657 und der Wahl Iwan Masepas zum Hetman der Saporoger Kosaken 1687 werden als Ruin (ukr. Руїна) bezeichnet; sie waren geprägt von häufigen Auseinandersetzungen, Bürgerkriegen und Interventionen fremder Mächte.
Während aus dem Vertrag von Hadjatsch abgeleitet werden kann, dass die Kosaken ihren Staat als Nachfolger der Rus' sahen und die ruthenische (altukrainische) Sprache sprachen, wurde der Begriff „Ruthenen“ hauptsächlich auf den Teil der Bevölkerung angewendet, der unter der Kontrolle des polnischen Staates stand.
18. Jahrhundert – Zwischen Russland und Österreich
Nach den drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 wurde die westliche Ukraine mit Ausnahme Ost-Galiziens, das zum Habsburgerreich kam, russisch.
1796 wurden die südlichen und östlichen Gebiete der heutigen Ukraine, die Russland von den Osmanen erobert hatte, zu einem russischen Gouvernement zusammengefasst (Neurussland) und es wurden die Städte Sewastopol (1763, Militärhafen und Festung) und Simferopol (1784) auf der Halbinsel Krim sowie die Hafenstadt Odessa (1793) gegründet. Die bisher fast unbewohnten Steppengebiete im Südosten wurden urbar gemacht und größtenteils mit Russen, aber auch mit Deutschen bevölkert. Hier entstanden etwa 70 deutsche Siedlungen. Katharina die Große (Zarin von 1762 bis 1796) förderte vielerorts die Ansiedlung von Ausländern in Russland.
Beim Wiener Kongress verhandelten unter anderem die Großmächte über die territoriale Ordnung Europas. Russland wurde damals von Zar Alexander I. regiert und das Habsburgerreich von Kaiser Franz I. Russland sicherte sich durch die Anerkennung seiner territorialen Gewinne in Finnland und Bessarabien dessen Ausdehnung nach Westen. Von den Gebieten, die Russland bei den drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 erlangt hatte, durfte es den größten Teil („Kongresspolen“) behalten.
Nach Andreas Kappeler waren die „Annalen Kleinrusslands oder Geschichte der Kosaken-Saporoger und Kosaken der Ukraine oder des Kleinen Russlands“ (1788) von Jean-Benoît Schérer die erste Gesamtdarstellung der Ukrainischer Geschichte. Im Vorwort wird erwähnt, dass „die Kosaken [Ukrainer] trotz ihrer über 800-jährigen Geschichte bis vor zwei Jahrhunderten in Westen unbekannt blieben“.
Die Geschichte der ukrainischen Kosaken wurde mit Byrons Gedicht „Mazeppa“ (1819) allgemein bekannt. Es folgten mehrere Opern und Instrumentalstücke über den Hetman, den Voltaire als „Ukrainischer Prinz“ bezeichnet hat.
19. Jahrhundert – Entstehung der ukrainischen Nationalbewegung
Bevor man seit dem 19. Jahrhundert von einer ukrainischen oder weißrussischen Nation zu sprechen beginnt, war für die ostslawischen Bewohner der heutigen Ukraine der deutsche Begriff „Ruthenen“ (ukr. русини) und Kleinrussen (ukr. малороси) gebräuchlich, vor allem im Bezug auf die Kern-Ukraine. Die westlichen Gebiete gingen als „Galizien und Lodomerien“ zum Habsburgerreich. Der Ukraine-Historiker Andreas Kappeler kritisierte diesbezüglich 2017, dass eine „russische Sichtweise“ seit 200 Jahren unbesehen auch im Westen übernommen worden sei.
Der ukrainische Historiker Mychajlo Hruschewskyj schuf Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts in Lemberg die Grundlage für eine ukrainische Nationalbewegung, indem er der Auffassung eines einheitlichen ostslawischen (russischen) „Stromes der Geschichte“ sein Schema einer getrennten Entwicklung der Völker der Russen und Ukrainer entgegenstellte. Daraufhin begannen sich in Kiew Kräfte zu formieren, die eine Unabhängigkeit von Russland einforderten. Sowohl Ukrainer als auch Russen beziehen sich positiv auf die mittelalterliche Rus.
1869 war „Prawda“ die erste Literaturzeitschrift in ukrainischer Sprache in Österreich-Ungarn. Zehn Jahre später waren es bereits 60 Periodika. Die erste pro-Ukrainische politische Partei war „Ukrainische Radikale Partei“ und wurde im Oktober 1890 zuerst als „Ruthenisch-Ukrainische Radikale Partei“ gegründet. Zu den Gründern gehörten Jewgeni Lewyzkij zusammen mit Iwan Franko, Mykhailo Pawlyk, Wjatscheslaw Budzinowskij und Kirill Triliowskij.
Alle europäischen Völker östlich des deutschen Sprachraums und Italiens sowie westlich von Russland, vom Finnischen Meerbusen bis zum Adriatischen Meer, teilten vom Wiener Kongress bis zum Ende des Ersten Weltkriegs dasselbe Schicksal: Sie waren nicht Bewohner von Nationalstaaten, sondern von Großmachtstaaten, konkret: von Russland, Österreich-Ungarn oder Preußen (später des Deutschen Reichs). Im Unterschied zu den meisten anderen betroffenen Völkern gelang es ab 1917 den Ukrainern nicht, einen dauerhaft existenten Nationalstaat zu schaffen.
20. Jahrhundert – Unabhängigkeit nach dem Ersten Weltkrieg
Während des Ersten Weltkriegs unterstützte das Deutsche Reich die Separationsbemühungen der Ukrainer als Kriegsmittel zur Schwächung Russlands. Unter anderem wurden bis zu 50.000 Kriegsgefangene ukrainischer Herkunft durch Unterricht in ukrainischer Geschichte und Vermittlung sozialistischer Ideen in deutschen Kriegsgefangenenlagern ausgebildet, um mit sozialen Unruhen und Nationalismus den Kriegsgegner zu schwächen. Diese kamen jedoch nicht mehr zum Einsatz. Dennoch vertraten einige polnische Nationalisten die Theorie, Ukrainer gebe es eigentlich gar nicht, sie seien eine deutsche Erfindung. Ähnlich wurde im 19. und auch im 20. Jahrhundert in Russland die Vorstellung von einer eigenen ukrainischen Kulturnation als Erfindung der österreichischen Diplomatie und der mit Rom Unierten erklärt.
Erster Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg führte zu einer Internationalisierung der ukrainischen Frage, brachte die Ukraine aber zwischen die Fronten. Ein Oberster Ukrainischer Rat erklärte am 1. August 1914 seine Loyalität zu Österreich-Ungarn, russische Truppen eroberten jedoch im September 1914 den Osten Galiziens einschließlich der Hauptstadt Lwiw (damals: Lemberg), in der Folge wurden nationale Institutionen und die ukrainische Sprache verboten. Im Rahmen der Bug-Offensive kam es bis September 1915 zum „Großen Rückzug“ der russischen Armee auf der gesamten Frontlinie. Damit wurde das Gebiet der heutigen Ukraine bis Ende 1917 zum Kriegsgebiet. Die Mittelmächte konnten bis unmittelbar westlich von Tarnopol und Dubno vordringen sowie Kolomyja und Czernowitz erobern. Czernowitz mussten sie jedoch während der Brussilow-Offensive im Juni 1916 zunächst wieder aufgeben, in deren Verlauf Russland im Bereich der heutigen Ukraine wieder bis zu 60 Kilometer westlich vorstoßen konnte und u. a. Iwano-Frankiwsk eroberte. Nach einem kurzzeitigen Erfolg der russischen Kerenski-Offensive in der ersten Julihälfte 1917 (u. a. Einnahme von Kalusch) führte der deutsche Gegenstoß im Rahmen der Tarnopol-Offensive zu einer massiven Beschleunigung des Auflösungsprozesses der demoralisierten russischen Armee. Am 25. Juli 1917 fiel Tarnopol in die Hände deutscher und österreich-ungarischer Truppen, bis Ende August konnten die Truppen der russischen Südwestfront auf die Linie des heute in der Ukraine liegenden Flusses Sbrutsch (ca. 45 Kilometer östlich Tarnopol, vor dem Krieg Grenzfluss zwischen Österreich-Ungarn und Russland) zurückgedrängt werden. Infolge Lenins Dekret über den Frieden kam es am 5. Dezember 1917 zum Waffenstillstand.
Russische Revolution 1917 und die Forderung nach Autonomie
Mit der Februarrevolution 1917 in Russland und dem Sturz der Zarenregierung sah man in der Ukraine die Chance für eine eigene, unabhängige Staats- und Gesellschaftsentwicklung für gekommen. Am 17. März 1917 versammelten sich in Kiew Repräsentanten politischer, kultureller und beruflicher Organisationen (Zentralna Rada), um aus ihrer Mitte eine provisorische Regierung zu bilden, die an die Stelle der inzwischen abgeschafften zaristischen Regierungsbehörden treten sollte. Zum Vorsitzenden dieses ukrainischen Volksrats wurde am 20. März 1917 Mychajlo Hruschewskyj gewählt.
Auf dem Allukrainischen Nationalkongress vom 19. bis 21. April 1917 mit rund 900 Delegierten von politischen Parteien, Bauernorganisationen, ländlichen und städtischen Selbstverwaltungen, Militärorganisationen, Kultur- und Bildungseinrichtungen, kirchlichen Institutionen sowie den ukrainischen Gouvernements wurden zunächst 115 Deputierte in die Zentralna Rada gewählt. Diese war seitdem die gesetzgeberische Versammlung in der Ukraine. Die Ukrainische Sozialdemokratische Arbeiterpartei und die Ukrainische Partei der Sozialrevolutionäre waren die wichtigsten Parteien in der Zentralrada.
In ihrem 1. Universal vom 23. Juni 1917 forderte die Zentralrada Autonomie für die Ukraine innerhalb eines demokratischen und föderativ organisierten Russlands, Festlegung der Grenzen der Ukraine, sowie die Teilnahme an einer zukünftigen Friedenskonferenz. Die Forderung nach Autonomie führte zum Konflikt mit der Provisorischen Regierung (Russlands) unter Alexander Kerenski, die die Auffassung vertrat, Generalsekretariat und Zentralrada seien ihr weiterhin untergeordnet. Man handelte einen Kompromiss aus: Die Provisorische Regierung (Russlands) erkannte das Generalsekretariat als oberstes Regierungsorgan der Ukraine an. Das Generalsekretariat und die Zentralrada erkannten im Gegenzug die Provisorische Regierung (Russlands) an. Die Ukraine nahm Abstand von einer „einseitigen“ (unilateral) Autonomie. Diese Vereinbarung schlug sich im 2. Universal (16. Juli 1917) nieder.
Die Entstehung der Ukrainischen Volksrepublik
Ende Oktober 1917 als Ergebnis der Revolution wurde eine neue russische Regierung mit dem Namen Rat der Volkskommissare der RSFSR gebildet. Am 7. November / 20. November 1917 proklamierte die Zentralna Rada die Ukrainische Volksrepublik als autonomen Staat innerhalb des neuen Sowjetrussland nach der Oktoberrevolution. Am 12. November / 25. November 1917 fanden Wahlen statt, in denen die Bolschewiki 25 % und die anderen Parteien 75 % der Stimmen erhielten.
Die Unabhängigkeit der Ukraine und der Krieg mit Bolschewiken
Am 16. Dezember 1917 (3. Dezember nach alter Zeitrechnung) verabschiedete die russische Regierung auf einer Sitzung der Volkskommissare in Moskau das „Manifest an das ukrainische Volk“. Das Manifest zusammen in Form von einem Ultimatum wird am nächsten Tag der Zentralrada vorgelegt.
Das Manifest enthielt Vorwürfe bezüglich des Abzugs ukrainischer Einheiten von der Front, der Entwaffnung sowjetischer Truppen in der Ukraine und der Unterstützung der Kosaken von Don und Kuban. Das Memorandum drückte die Weigerung aus, die Legitimität der Ukrainischen Volksrepublik anzuerkennen und bezeichnete sie als Feind der Revolution. Sie forderte die Rückgabe der Waffen an die Soldaten der Roten Garde in der Ukraine. Sollten die entsprechenden Maßnahmen nicht innerhalb der nächsten 48 Stunden ergriffen werden, würde sich die neue revolutionäre Regierung in Russland im Kriegszustand mit der Ukrainischen Volksrepublik befinden.
Mitte Dezember 1917 organisierten die Bolschewiki einen Aufstand in Winnyza. Es begann die Eroberung ostukrainischer Gebiete durch russische und ukrainische Rote Garden. Am 24./25. Dezember fand in Charkiw der erste Kongress der Delegierten der Bauern-, Arbeiter- und Soldatenräte statt, der die Beschlüsse der Zentralna Rada für ungültig erklärte. Am 26. Dezember eroberten die Truppen der Bolschewiki Charkiw. Am 30. Dezember proklamierte das Zentrale Exekutivkomitee der Sowjetukraine die Ukrainische Volksrepublik der Sowjets.
Am 9. Januar 1918 fanden Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung der Ukraine statt, konnten allerdings nur in den nicht besetzten Gebieten durchgeführt werden. Die ukrainischen nationalen Parteien erhielten 70 % der Stimmen, die Bolschewiki 10 %. Die Versammlung wurde jedoch nie einberufen, die Zentralna Rada blieb das politische Entscheidungsgremium der Ukrainischen Volksrepublik. Am 25. Januar 1918 (4. Universal der Zentralrada, rückdatiert auf 22. Januar) wurde die volle staatliche Unabhängigkeit der Ukrainischen Volksrepublik verkündet.
Am 29. Januar 1918 fand in Kiew ein Aufstand der Bolschewiki statt, der am 4. Februar niedergeschlagen wurde.
Am 8. Februar 1918 eroberten die Bolschewiki Kiew.
Das Ende des Ersten Weltkriegs und die deutsche und österreichische Intervention
Im Verlauf der Operation Faustschlag im Februar und März 1918 fiel nahezu die gesamte heutige Ukraine in die Hände der Mittelmächte. Am 9. Februar 1918 schloss die Volksrepublik Ukraine mit dem „Brotfrieden“ einen Separatfrieden mit den Mittelmächten. Die Mittelmächte setzten die Rada wieder ein und sorgten dafür, dass Sowjetrussland im Friedensvertrag von Brest-Litowsk die Ukraine anerkannte.
Im Osten der Ukraine existierten kurzzeitig mehrere Sowjetrepubliken, so die Sowjetrepublik Donezk-Kriwoi Rog, die Sowjetrepublik Odessa, die Sowjetrepublik Taurida (Krim) und die Ukrainische Sowjetrepublik.
Da die Mittelmächte mehr Lebensmittellieferungen erwarteten, setzten sie am 29. April 1918 die Regierung ab und verhalfen am 29. April 1918 in einem Umsturz den früheren zaristischen General Pawlo Skoropadskyj als Hetman an die Macht.
In Russland ist allgemeine Mobilisierung ausgerufen. Ihr Hauptziel ist jedoch nicht nur der Kampf gegen den äußeren Feind, sondern auch gegen den inneren Feind und mehr noch – der Kampf um Brot. Die Ukraine wurde traditionell als Kornkammer des Russischen Kaiserreichs betrachtet.
Der Ukrainische Staat unter Skoropadsky („Der Zweite Hetmanat“)
Skoropadskyj versuchte eine konservative Restauration des Staatswesens, vor allem wollte er die enteigneten Großgrundbesitzer wieder einsetzen. Dies wurde auch durch Umbenennung des Staatswesens in „Ukrainischer Staat“ unterstrichen. Mit Hilfe des Verwaltungsapparats und der Unterstützung der Besatzer konnte Skoropadskyj zum ersten Mal in der Geschichte einen ukrainischen Staat von Don bis Bug begründen. Die Innenpolitik von Skoropadskyj führte jedoch zur Opposition der Rada und der großen Mehrheit der Bauern. Das harte Besatzungsregime und die Ausbeutung der Ukraine brachte viele Ukrainer gegen die Deutschen auf, am 30. Juli 1918 fiel Oberbefehlshaber Hermann von Eichhorn zusammen mit seinem Adjutanten in Kiew einem Bombenattentat zum Opfer.
Direktorium der Ukrainischen Volksrepublik
Drei Tage nach dem Waffenstillstand von Compiègne, am 14. November 1918, bildete sich in Kiew aus oppositionellen Kreisen eine „Direktorium“ genannte Exekutive. Ukrainische Verbände bedrohten Kiew, ließen aber die deutschen Truppen abziehen, denen sich Skoropadskyj anschloss. Das Direktorium bildete am 14. Dezember 1918 in Kiew eine neue Regierung.
Westukrainische Volksrepublik
In dem ehemals österreich-ungarischen Kronland Königreich Galizien und Lodomerien bildete sich im November 1918 die Westukrainische Volksrepublik (Sachidno-Ukrajinska Narodna Respublika, SUNR), deren Hauptstädte nacheinander Lwiw, Ternopil und Stanislau (heute Iwano-Frankiwsk) waren. Die Westukrainische Volksrepublik vereinigte sich im Januar 1919 mit der Ukrainischen Volksrepublik.
Die im Südwesten des Landes gelegene Karpatoukraine, die bis 1919 zu Ungarn gehörte, fiel unter anderem aufgrund eines Votums des amerikanischen Nationalrats der Russinen am 10. September 1919 an die neugegründete Tschechoslowakei.
→ Hauptartikel: Westukrainische Volksrepublik
Die Vereinigung der Ukrainischen Volksrepublik und der Westukrainischen Volksrepublik
Am 22. Januar 1919 wurde auf dem Sofia-Platz in Kyiw eine Erklärung über die Vereinigung der Ukrainischen Volksrepublik und der Westlichen Ukrainischen Volksrepublik zu einer vereinigten Ukraine verabschiedet. Der Tag wird als Tag der ukrainischen Einheit gefeiert.
Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik
Im Januar 1919 eroberten die Bolschewiki Kiew noch mal und gründeten die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik. Im März wurde die erste Verfassung verabschiedet. Bis 1920 kam das gesamte Territorium der östlichen Ukraine unter deren Kontrolle.
Der polnisch-ukrainische Krieg und der Vertrag von Versailles
Der Vertrag von Versailles wurde am 28. Juni 1919 unterzeichnet, und von da an begannen die politischen Versuche, die Nachkriegsaufteilung der Länder zu entscheiden. Zu den Problemen, die auf der Pariser Konferenz behandelt wurden, gehörte auch der Versuch, eine Lösung für Polen und Galizien zu finden. Nach dem Verlust Kyiw an die Bolschewiken und der Besetzung Galiziens durch die polnische Armee war Petliura gezwungen, den Verlust der Westukrainischen Volksrepublik an Polen zu akzeptieren, um an der Bulduri-Konferenz im August 1920 teilnehmen zu können. Der erste Punkt des Memorandums dieser Konferenz beinhaltete die gegenseitige Anerkennung der teilnehmenden Staaten – darunter Polen, Litauen, Finnland, Lettland, Estland und die Ukrainische Volksrepublik (Weißrussland wurde nur als Beobachter zugelassen). Das Abkommen hatte jedoch keine wirklichen politischen Folgen.
Friedensvertrag von Riga
Die Aufteilung des ukrainischen Gebieten zwischen Polen und der Sowjetunion wurde durch den Friedensvertrag zwischen Polen, Russland und der [sowjetischen] Ukraine am 18. März 1921 abgeschlossen (auch bekannt als Friedensvertrag von Riga). Es wurden die Woiwodschaft Lwów um Lwiw sowie die Woiwodschaft Tarnopol um die Stadt Ternopil und die Woiwodschaft Stanisławów um das heutige Iwano-Frankiwsk gebildet, die für fast zwei Jahrzehnte zu Polen gehörten. Wolhynien wurde geteilt. In Polen entstand für 18 Jahre die Woiwodschaft Wolhynien.
Der zweite Winterfeldzug im Oktober 1921 war der letzte Versuch, das Gebiet der Ukrainischen Volksrepublik zurückzuerobern.
Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik bis 1941
Im Rahmen der Industrialisierung der Sowjetunion wurden im Osten der Ukraine in den heutigen Millionenstädten Dnipro (u. a. Chemie), Donezk (u. a. Schwerindustrie, Kohlebergbau) und Charkiw (u. a. Flugzeuge) große wirtschaftliche Zentren mit Universitäten entwickelt.
In der Zentral- und Ostukraine setzte sich die sowjetische Herrschaft durch. 1922 wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR) offiziell Teil der neu gegründeten Sowjetunion, nachdem die Rote Armee unter Leo Trotzki die Machno-Bewegung in einem blutigen Kampf besiegt hatte.
Die Grenzen zwischen der Russischen und der Ukrainischen Sowjetrepublik fielen mit den in Volkszählungen ermittelten ethnischen Grenzen zusammen, auch wenn die Grenzziehung besonders im Donezbecken und in Südrussland schwierig war, weil die Städte russisch geprägt und die Dörfer gemischt ukrainisch und russisch besiedelt waren. Damit umfasste die USSR die Gebiete mit einer ukrainischen Bevölkerungsmehrheit. Im Jahr 1926 hatte die Ukrainische Sowjetrepublik 29 Millionen Einwohner, davon waren 80 Prozent Ukrainer, 9,2 Prozent Russen, 5,5 Prozent Juden, 1,6 Prozent Polen und 1,4 Prozent Deutsche. Hauptstadt war bis 1934 Charkiw, danach Kiew.
Nach der Einrichtung von Kolchosen im Rahmen der Kollektivierung wurden diese dazu verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Ernte an den Staat abzuführen. Die Quote lag in der Ukraine bei etwa 30 %. Seit 1928 wurde die Quote von Jahr zu Jahr erhöht. 1931 betrug die Steuerquote für Getreide bereits rund 40 %. Im Jahr 1932 kam es zu Problemen, das Getreide einzuziehen. Die ukrainische Landbevölkerung widersetzte sich der Getreideabgabe und versuchte, Teile der Ernte zu behalten, die sie hätte abgeben müssen. Daraufhin verschärfte die sowjetische Regierung die Repressionen. In den Städten wurden Stoßbrigaden kommunistischer Aktivisten zusammengestellt. Diese fuhren in die landwirtschaftlichen Gebiete und führten dort Beschlagnahmungen durch. Die Lage wurde für die Landbevölkerung immer bedrohlicher: Repressalien, angefangen von Verhören, Drohungen und Belagerungen von Bauernhöfen bis hin zu Verhaftungen mit oder ohne Verurteilung, waren an der Tagesordnung. Am 7. August wurde das „Ährengesetz“ verabschiedet. Dieses sah für jede „Verschwendung sozialistischen Eigentums“ eine Strafe von zehn Jahren bis zur Todesstrafe vor. In den folgenden anderthalb Jahren wurden 125.000 Menschen nach diesem Gesetz verurteilt, darunter 5400 zum Tode. Das Gesetz brachte nicht den gewünschten Erfolg. Am 22. Oktober wurde eine Sonderkommission in die Ukraine entsandt. Ihr Auftrag war es, den Widerstand zu brechen, wozu sie weitestgehende Vollmachten hatte. Es folgte eine Verhaftungswelle, von der sowohl Bauern als auch örtliche Partei- und Verwaltungskräfte betroffen waren. Schwerer noch wogen die wirtschaftlichen Repressalien, die Beschlagnahme aller Ladenartikel und das Unterbinden jeglichen Handels. Die Landbevölkerung wurde von der Versorgung abgeschnitten.
Der nächste Schritt war die Anweisung, alle Getreidevorräte auf den Kolchosen zu beschlagnahmen. Diese Beschlagnahmungen wurden mit großer Härte durchgeführt, Folter und Tötungen inbegriffen. Am 27. Dezember 1933 wurden ein Inlandspass und für die Bewohner der großen Städte eine Meldepflicht eingeführt, um die Flucht der Landbewohner in die Städte zu stoppen. Am 22. Januar befahlen Stalin und Molotow der Geheimpolizei GPU, die Landbewohner am Verlassen der Hungergebiete zu hindern. Mehrere Hunderttausend Menschen, die es in die Städte schafften, wurden von dort wieder vertrieben. Tausende von Kindern wurden von ihren Eltern in die Städte geschafft und dort ausgesetzt in der Hoffnung, jemand werde sich ihrer annehmen. Zur Beseitigung der Kinder aus den Städten wurde daraufhin eine Sondereinheit gegründet. Diese sammelte die verhungernden Kinder auf der Straße ein und setzte sie auf freiem Feld zum Sterben aus. In der von Hunger geschwächten Bevölkerung brachen Seuchen aus. Im Frühjahr 1933 erreichte die Sterblichkeit ihren Höhepunkt. 1933 exportierte die Sowjetunion 1,8 Millionen Tonnen Getreide.
Die Weltöffentlichkeit reagierte kaum auf diesen faktischen Genozid in der Sowjetunion, der als Holodomor in die Geschichte einging. Mehrere Journalisten, wie Paul Scheffer in Deutschland, Gareth Jones in Großbritannien oder William Henry Chamberlin in den USA, berichteten wiederholt über die Ereignisse. Intensiv beschäftigte sich der Europäische Nationalitätenkongress mit der Ursache der vielen Hungertoten und warf der UdSSR öffentlichkeitswirksam „die Ausrottung der Kulturbestrebungen aller Volksgruppen und Völker aus ideologischen Gründen“ vor. Weltweit gab es aber keine diplomatischen Reaktionen. Die Sowjetunion selbst zensierte die Berichterstattung. Die Zahl der Opfer lässt sich nur schwer bestimmen, weil es während des Bestehens der Sowjetunion keine Untersuchungen gab. Anhand der Volkszählungen von 1937 und 1939 wird die Zahl der Toten auf 4 Millionen Ukrainer geschätzt. In anderen landwirtschaftlichen Gebieten der Sowjetunion starben weitere 2 Millionen Menschen durch die mutwillig verursachte Hungersnot (→ unter anderem in Kasachstan).
Der vergleichende Völkermordforscher Gunnar Heinsohn schätzt die Zahl der Opfer auf 6 bis 7 Millionen Ukrainer. Für ihn ist es die „schnellste gegen eine einzelne Volksgruppe gerichtete Massentötung des 20. Jahrhunderts und womöglich der Geschichte“. Als Motiv nimmt er die „Brechung der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung“ an. Andere westliche Untersuchungen gehen davon aus, dass der Holodomor als eine Verkettung von Folgen und Nebenfolgen äußerst rücksichtsloser und brutaler Politik der Zwangskollektivierung in der Sowjetunion, Herrschaftskonsolidierung und Widerstandsunterdrückung sowie zusätzlich hinzukommender wetterbedingter Ernteausfälle erklärt werden kann.
Deutsche Besetzung 1941–1944
Der Zweite Weltkrieg begann mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939, dem am 17. September 1939 die sowjetische Besetzung Ostpolens folgte. Polen wurde gemäß den Abmachungen des Hitler-Stalin-Paktes zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Die sowjetischen Besatzungsbehörden inszenierten unter unfreien Bedingungen noch 1939 Volksabstimmungen, als deren Ergebnis die südöstlichen polnischen Woiwodschaften der Sowjet-Ukraine zugeschlagen wurden. Amtssprache wurde dort das Ukrainische, die polnische Bevölkerung erlitt Repressionen. Die Anteile der verschiedenen ethnischen Gruppen an der Bevölkerung änderten sich trotz Umsiedlungen in das Innere der Sowjetunion nicht wesentlich.
Im Juni 1941 führte der deutsche Überfall auf die Sowjetunion zunächst in diejenigen Gebiete, welche diese erst 1939 von Polen annektiert hatte. Die sowjetischen Behörden, Industrieunternehmungen und Spezialisten wurden evakuiert, insgesamt 3 Millionen Menschen. So viel Infrastruktur wie möglich wurde zerstört, tausende politische Gefangene vom NKVD ermordet. Deutscherseits kam es schon in den ersten Tagen zu Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung, angeleitet teilweise durch Himmlers SS-Verbände und (mit-)ausgeübt durch die ukrainischen und polnischen Bewohner. SS-Einsatzgruppen begannen unterstützt von der Wehrmacht systematisch Juden in großer Zahl zu ermorden. Anfangs fanden die deutschen Truppen in der Ukraine etliche Unterstützer gegen die Sowjetmacht, was sich jedoch infolge der menschenverachtenden nationalsozialistischen Besatzungspolitik änderte, denn in der Ideologie der Nationalsozialisten galten Ukrainer und auch alle anderen Slawen als „Untermenschen“. Von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) wurde kurz nach der Annexion durch Deutschland am 30. Juni 1941 in Lemberg ein eigenständiger ukrainischer Staat proklamiert, welcher sich als gleichberechtigter Bündnispartner Hitlers verstand, was aber von den deutschen Nationalsozialisten selbstverständlich nicht akzeptiert wurde. Im Gegenteil: Die Anführer der OUN wurden verhaftet und in die KZ Ravensbrück und Sachsenhausen gebracht.
Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg stand das Land als „Reichskommissariat Ukraine“ zum größeren Teil unter deutscher Zivilverwaltung. Die Ukraine war neben den baltischen Staaten und Weißrussland einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges. Die Kämpfe von deutschen Wehrmacht- und Waffen-SS-Verbänden mit der Roten Armee und mit Partisanen verursachten in der Ukraine fünf bis sieben Millionen Tote, die Städte und die Wirtschaft wurden fast völlig zerstört. Der Plan Hitlers und der Parteiführung war, im Verlauf der kommenden 20 Jahre nach 1941 in der Ukraine 20 Millionen Deutsche anzusiedeln, zuvor sollte die Ukraine als Kolonie dienen, die man ökonomisch rücksichtslos ausplündern wollte. Seit dem Winter 1941/42 wurden trotz hungernder ukrainischer Bevölkerung Fleisch, Milch und Getreide für die deutschen Truppen „requiriert“, die selbst wegen großer Transportschwierigkeiten infolge der Partisanenaktivitäten unter mangelnder Versorgung litten. Es entstanden hohe Verluste wegen unzureichender Winterkleidung. Nur noch 30 Prozent der als Existenzminimum geltenden Lebensmittelmenge war ab Dezember 1941 für die Einwohner Kiews verfügbar. Über eine Million Ukrainer wurden zur Zwangsarbeit Richtung Deutschland deportiert. Vor Verschleppung, Erschießungen (wegen Sabotageaktivitäten) und Deportation durch Sondereinheiten der SS konnten sich viele nur durch Flucht zu Partisanenverbänden retten. Alle ukrainischen Organisationen wurden zwangsweise durch das „Reichskommissariat“ aufgelöst, selbst alle Sportvereine und das ukrainische Rote Kreuz. Ab Anfang 1942 wurden sämtliche Schulen und Schulklassen oberhalb der vierten Klasse durch das „Reichskommissariat“ geschlossen. Ukrainische Bücher und Zeitschriften wurden nicht mehr zum Druck zugelassen, einige wenige noch erlaubte Zeitungen wurden streng zensiert. Es wurden massenhafte öffentliche Geiselerschießungen als Reaktion auf Aktivitäten von Partisanen durchgeführt und etwa 250 Ortschaften vollständig zerstört.
Die Ukraine und Ostpolen waren die Gebiete, in denen die meisten Menschen dem Holocaust an Juden, Sinti und Roma zum Opfer fielen. Zunächst wurden nach dem Abzug der Roten Armee in vielen Gebieten der Ukraine von ukrainischen Nationalisten Massaker und Pogrome an Juden verübt. Mit dem Einmarsch der SS-Einsatzgruppen begannen die massenhaften Erschießungen von Juden. Das bekannteste dieser Massaker fand am 29. und 30. September 1941 in Babyn Jar bei Kiew statt, wo mehr als 33.000 jüdische Kiewer ermordet wurden, gefolgt von weiteren regelmäßigen Massenerschießungen mit weiteren etwa 70.000 Toten. Darüber hinaus wurden alle kommunistischen Zivilisten und KPdSU-Mitglieder erschossen, derer man habhaft werden konnte. In der Ukraine legten Himmlers Sondereinheiten der SS etwa 180 Lager an, in denen etwa 1,4 Mio. Gefangene ermordet wurden. Zahlreiche Massengräber in der Ukraine bargen von Stalins Sondereinheiten (GPU) ermordete Ukrainer. Auf der anderen Seite begrüßten – zumindest in der Anfangszeit der deutschen Besetzung – viele Menschen in der Ukraine die deutschen Truppen als Befreier. Nach dem Terror des stalinistischen Holodomor erhofften sich viele Ukrainer und Ukrainerinnen einen souveränen Staat oder wenigstens eine gewisse Autonomie. Etwa 300 000 ukrainische Soldaten kämpften auf deutscher Seite. Der größte militärische Verband war hierbei die Ukrainische Befreiungsarmee.
Kämpfe gegen die Sowjetherrschaft und gegen Polen 1943–1947
Zwischen 1943 und 1947 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die deutschen Okkupanten, sondern gab es auch eine starke nationalistische Unabhängigkeitsbewegung (ukrainische Aufständischenarmee: Ukrajinska Powstanska Armija UPA) gegen die Sowjetherrschaft, die vom NKWD niedergeschlagen wurde. Aber auch die polnische Bevölkerung der heutigen Westukraine wurde zum Angriffsobjekt der UPA. Insbesondere in den Ostkarpaten und in Wolhynien wurden 1944 weit über 100.000 Polen Opfer von Massenerschießungen durch die UPA. Da nach Kriegsende die ukrainischen Nationalisten einen Krieg gegen die Sowjetarmee begannen, wurden rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien umgesiedelt.
Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik seit 1944
Danach wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR) als Unionsrepublik der Sowjetunion wiederhergestellt.
Ausdehnung des Staatsterritoriums
Nach dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg und auf den Kriegs- und Nachkriegskonferenzen (Teheran-Konferenz November 1943, Konferenz von Jalta Februar 1945 und Konferenz von Potsdam Juli/August 1945) gefassten Beschlüssen der Alliierten wurden von der Sowjetunion bzw. der Ukrainischen SSR dauerhaft jene westlich und südwestlich ihrer ursprünglichen Grenzen gelegenen Gebiete einbehalten, die zunächst nach Vereinbarungen des Hitler-Stalin-Pakts, dann im Verlauf des Krieges von der Roten Armee militärisch eingenommen worden waren. Die Grenzen der Ukraine wurden damit zu Lasten Polens, Rumäniens und der Tschechoslowakei weit nach Westen und Südwesten vorgeschoben. Die sowjetische Politik zielte darauf ab, die in den Friedensverträgen von Brest-Litowsk 1918 und Riga 1921 von Russland erzwungenen Gebietsabtretungen rückgängig zu machen, die zahlreichen Minoritätenprobleme durch Umsiedlungsaktionen in Zukunft auszuschalten und durch eine hegemoniale Rolle in Ost- und Mitteleuropa eine sowjetfreundliche Orientierung dieser Regionen zu garantieren, um so den sowjetischen Sicherheitsinteressen gerecht zu werden. 1924 wurden die Okrug Shakyty und Taganrog von der Ukrainischen Sowjetrepublik der Russischen Sowjetrepublik abgetreten.
Verschiebung der Grenzen Polens
Nach dem Angriff Hitler-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 waren in Übereinstimmung mit einem geheimen Zusatzprotokoll des am 23. August 1939 unterzeichneten deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakts die ostpolnischen Gebiete ab 17. September 1939 durch die Sowjetunion militärisch besetzt worden. Im Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vom 28. September 1939 wurde der genaue/korrigierte Grenzverlauf zwischen Hitler-Deutschland und der Sowjetunion festgelegt, der in etwa der am Nationalitätenprinzip orientierten Curzon-A-Linie von 1920 entsprach.
Ost-Galizien und Wolhynien (südlicher Teil der sogenannten Kresy) fielen nach diesen vertraglichen Regelungen dabei der Ukrainischen SSR zu. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verblieben diese Gebiete – im Zuge der Westverschiebung Polens – weiterhin im Machtbereich der Sowjetunion bzw. der Ukrainischen SSR. (s. auch Art. Vierte Teilung Polens). Der Grenzverlauf zwischen der Sowjetunion und Polen entsprach dabei fast genau der Linie, die zwischen der Sowjetunion und Hitler-Deutschland im Hitler-Stalin-Pakt bzw. im Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag vereinbart worden war.
Bereits Juli 1944 hatte sich in Moskau das kommunistische „Polnische Komitee der Nationalen Befreiung“ (Polski Komitet Wyzwolenia Narodowego – PKWN) (oder auch: Lubliner Komitee) in Opposition zur Londoner Exilregierung konstituiert. Das Lubliner Komitee sollte die Macht ergreifen, sobald die Rote Armee die Curzon-Linie überschreiten würde. Dies geschah in Lublin am 22. Juli 1944. Im Januar 1945 wurde das Komitee von der Sowjetunion offiziell als provisorische polnische Regierung anerkannt. Das Lubliner Komitee schloss am 27. Juli 1944 mit der Sowjetunion einen (Geheim-)Vertrag über die Abtretung der Gebiete östlich der Curzon-Linie. Am 16. August 1945 folgte ein Grenzvertrag mit der Sowjetunion, der die Westverschiebung Polens und den gegenseitigen Bevölkerungsaustausch regelte.
Anfang (9.) September 1944 schloss das Lubliner Komitee Umsiedlungsverträge mit den Regierungen der angrenzenden Sowjetrepubliken Ukraine, Weißrussland und Litauen. Diese Verträge regelten die Fragen der Umsiedlung der polnischen Bevölkerung nach Westen und die der Ukrainer, Weißrussen und Litauer nach Osten. Aufgrund dieser Regelungen verloren bis Ende 1948 rund 1.200.000 Polen aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten ihre Heimat. Viele dieser Menschen fanden in Folge in den ehemals deutschen Gebieten Pommern, Schlesien und im südlichen Ostpreußen ein neues Zuhause. Bis Mitte 1946 wurden etwa 482.000 Ukrainer aus Polen in die Ukraine abgeschoben. Darüber hinaus wurden im Sommer 1947 in der sogenannten „Aktion Weichsel“ (polnisch: Akcja „Wisła“) 140.575 Ukrainer in die Oder-Neiße-Gebiete gebracht und dort verstreut angesiedelt.
Verschiebung der Grenzen Rumäniens
Nach dem Ende des deutschen Westfeldzugs und Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiègne am 22. Juni 1940 sah die Sowjetunion den Zeitpunkt gekommen, das zu diesem Zeitpunkt noch zu Rumänien gehörende Bessarabien, die nördliche Bukowina und das Herza-Gebiet zu annektieren. Am 28. Juni 1940 besetzte die Rote Armee diese Territorien. Wie in einem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Pakts vom 24. August 1939 abgesprochen, wurde dieses Vorgehen von Hitler-Deutschland geduldet. In Folge zerteilte die Sowjetunion am 2. August 1940 Bessarabien und bildete aus dem größten (mittleren) Teil des Gebietes – unter Hinzuziehung der östlich des Dnister gelegenen Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (MASSR) – die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR). Der Süden Bessarabiens (der Budschak/derzeit Teil der Oblast Odessa) sowie nördliche Teile (Gebiet um die Stadt Chotyn (Hotin)/Oblast Tscherniwzi) wurde der Ukraine (zu diesem Zeitpunkt Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik) zugeschlagen. 1941 – nach dem Angriff Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion – eroberten rumänische Truppen diese Gebiete zunächst wieder zurück, um sie im Mai 1944 erneut an die Rote Armee zu verlieren. Durch die Unterzeichnung der Pariser Friedensverträge am 10. Februar 1947 wurden von Rumänien die neuen Grenzverläufe akzeptiert. Seitdem gehören die nördlichen und südlichen Gebiete des ehemaligen Bessarabien, der nördliche Teil der Bukowina, das Herza-Gebiet zur Sowjetunion bzw. zur Ukraine. In einem Geheimprotokoll von 1948 verzichtete Rumänien auf die Schlangeninsel, die der Ukrainischen Sowjetrepublik angeschlossen wurde.
Weitere Grenzverschiebungen
Auch der östliche Teil der Tschechoslowakei, die Karpatoukraine, die nach 1938 von Ungarn annektiert worden war, fiel nach dem Zweiten Weltkrieg an die Ukrainische Sowjetrepublik.
1954 kam die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim durch einen Beschluss des Obersten Sowjets an die Ukraine.
Die Ukrainische SSR gehörte mit der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik im April 1945 zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen. Stalin hatte für die Sowjetunion 16 Sitze in der UN gefordert, musste sich dann letztlich mit Sitzen für die Ukraine und Weißrussland neber der UdSSR zufriedengeben. In Kiew und Minsk wurden eigene Außenministerien gegründet. 1948–49 und 1984–85 war sie nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.
Nuklearkatastrophe von Tschernobyl 1986
Im Jahre 1986 kam es zu einer Nuklearkatastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl nahe der nordukrainischen Stadt Prypjat. Dabei wurden große Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt, die anschließend durch den Wind über weite Teile Europas verteilt wurden.
Ukrainische Nationalbewegung und Erklärung der Unabhängigkeit
In Galizien wurden bereits 1987 erste Regungen einer ukrainischen Nationalbewegung sichtbar. Geistliche und Laien setzten sich für eine Rückgabe der Kirchen an die Ukrainische griechisch-katholische Kirche ein, die als unierte Kirche dem Papst unterstand. Die Russisch-Orthodoxe Kirche bekämpfte diese Bestrebungen. Ende 1989 wurde die Ukrainisch-Katholische Kirche nach einem Besuch Gorbatschows im Vatikan wieder zugelassen, ihr Oberhaupt, Kardinal Ljubacivs'kyj, kehrte 1991 aus dem römischen Exil nach Lemberg zurück.
Am 10. September 1989 wurde nach längerer Vorbereitung und nach Beendigung der Verhinderungsversuche durch die Behörden in Kiew die ukrainische Volksbewegung Narodnyj Ruch Ukrajiny (»Volksbewegung der Ukraine für die Perestrojka«) gegründet. Die Delegierten forderten die nationale und wirtschaftliche Souveränität der Ukraine innerhalb einer sowjetischen Konföderation, einen verbesserten Status der ukrainischen Sprache und mehr Rechte für die christlichen Kirchen neben der russisch-orthodoxen Kirche. Im Januar 1990 bildeten 400.000 Menschen eine Menschenkette von Kiew nach Lwiw, um der Vereinigung der Westukrainischen mit der Ukrainischen Volksrepublik 1919 zu gedenken; die blau-gelbe Fahne erschien vermehrt in der Öffentlichkeit. Zum Jahresbeginn war das Ukrainische zur Staatssprache erhoben worden.
Bei den Wahlen zum Obersten Sowjet am 4. März 1990 in der Ukrainischen SSR erreichte die Kommunistische Partei der Ukraine etwas mehr als 70 % der Parlamentsmandate. Wolodymyr Iwaschko wurde zunächst zum Parlamentsvorsitzenden gewählt, musste dieses Amt jedoch niederlegen, als er im Juli 1990 auf dem XXVIII. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in das neugeschaffene Amt des Stellvertretenden Generalsekretärs der Partei gewählt wurde. Sein Nachfolger wurde Stanislaw Hurenko (1938–2013). Er plädierte als KP-Vorsitzender für die „nationale Souveränität“ der Ukraine und für eine „geistige Wiedergeburt“ des Landes, allerdings wollte er einen Austritt des Landes aus der Sowjetunion verhindern.
Der Oberste Sowjet der Ukraine gab am 16. Juli 1990 mit 355 gegen 4 Stimmen eine Souveränitätserklärung ab, mit der die Gesetze der ukrainischen Sowjetrepublik über die der Sowjetunion gestellt wurden.
Ausgelöst durch die Wahlen zum Obersten Sowjet der Ukrainischen SSR im März 1990 fanden vom 2. bis zum 17. Oktober auf dem Majdan Nesaleschnosti die als Revolution auf Granit bekannt gewordenen Proteste mit bis zu 100.000 Teilnehmern statt; diese führten unter anderem zum Rücktritt von Witalij Massol als Vorsitzenden des Ministerrates der Ukrainischen SSR. Am 23. Oktober 1990 übernahm Witold Fokin kommissarisch die Geschäfte des Vorsitzenden des Ministerrats der Ukraine und wurde am 14. November 1990 in diesem Amt bestätigt. Am 19. November 1990 unterzeichneten Leonid Krawtschuk und Boris Jelzin einen Freundschaftsvertrag und damit die gegenseitige Anerkennung der staatlichen Souveränität.
Erneute Unabhängigkeit
Unabhängigkeitsbestrebungen, die die ganze Zeit existierten und ihr Zentrum in der Westukraine in Lwiw hatten, führten nach der Perestroika 1991 im Zuge der Auflösung der Sowjetunion zur erneuten staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine.
Unter dem Eindruck des gescheiterten Augustputschs in Moskau verabschiedete die Werchowna Rada drei Tage später am 24. August 1991 eine formale Unabhängigkeitserklärung der Ukraine.
Am 22. Oktober 1991 beschloss der Oberste Sowjet der Ukraine ein Gesetz zur Bildung eigener ukrainischer Streitkräfte im Umfang von rund 420.000 Soldaten sowie eine Nationalgarde von 30.000 Soldaten. Drei Tage später erfolgte auch die Zustimmung zu umfangreichen Wirtschaftsreformen, die die Privatisierung von Grundeigentum, die Preisfreigabe sowie eine Boden- und Finanzreform vorsahen.
Am 1. Dezember 1991 entschieden sich die Ukrainer in einem Referendum über die Unabhängigkeit der Ukraine mit 90,3 % der abgegebenen Stimmen dafür. Auf der Krim stimmten auch über die Hälfte der Bewohner für die Unabhängigkeit. Bei der ersten Direktwahl des Präsidenten der Ukraine mit einer Wahlbeteiligung von 84 % setzte sich Leonid Krawtschuk mit 61,6 % der Stimmen gegenüber Wjatscheslaw Tschornowil mit 23,2 % durch.
Am 5. Dezember 1991 wurde schließlich von dem ukrainischen Parlament der Vertrag über die Bildung der Sowjetunion aus dem Jahr 1922 gekündigt, allerdings beschloss die ukrainische Staatsführung bereits drei Tage später gemeinsam mit Russland und Weißrussland die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.
Territorium der Ukraine
Mit der Unabhängigkeit stellte sich die Frage nach den Staatsgrenzen der Ukraine.
Grenze zu Russland
Am 2. Dezember 1991 erfolgte die Anerkennung der Ukraine durch Russland. Ihre Grenze zu Russland wurde im russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag vom 31. Mai 1997 festgeschrieben. Der Vertrag trat am 1. April 1999 in Kraft. Mit dem Freundschaftsvertrag wurden auch weitere Verträge über die Stadt Sewastopol abgeschlossen, die deren Status regelten. Sie bestätigten die Souveränität der Ukraine über die Stadt und den Hafen und garantierte zugleich Russland das Recht, dort für mindestens weitere 20 Jahre einen Marinehafen zu betreiben. Mit der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags verzichtete Russland auf alle territorialen Forderungen bezüglich der Krim einschließlich Sewastopols. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von zunächst zehn Jahren; diese verlängerte sich aber automatisch, da der Vertrag nie gekündigt wurde.
Grenze zu Rumänien
Im Westen der Ukraine war die Grenze zu Rumänien bis 1997 strittig. Dabei ging es um die Zugehörigkeit des südlichen Bessarabiens und der nördlichen Bukowina zur Ukraine, Gebiete, die in der Zwischenkriegszeit zu Rumänien gehört hatten.
Krim
Über die Halbinsel Krim kam es zu Kontroversen. Sie war seit 1954 Bestandteil der Ukrainischen Sowjetrepublik und hatte zuvor zur Russischen SFSR gehört, bis 1945 als Autonome Republik. Auf der Krim hatte die ethnisch russische Bevölkerung 1989 eine Zweidrittelmehrheit. Wegen eines am 20. Januar 1991 abgehaltenen Referendums wurde die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Krim am 12. Februar 1991 durch den Obersten Sowjet der Ukrainischen SSR wiedererrichtet und verblieb nach der Unabhängigkeit der Ukraine im August 1991 bei der Ukraine. Die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Krim blieb aber zunächst bestehen.
Am 26. Februar 1992 beschloss der Oberste Sowjet der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Krim die Umbenennung in „Republik Krim“. Nach langen Verhandlungen verabschiedete die Werchowna Rada am 22. April 1992 mit großer Mehrheit ein Gesetz, das der Krim Autonomierechte einräumte. Der Oberste Sowjet der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Krim erklärte am 5. Mai 1992 die neue Republik Krim für unabhängig, doch bereits die am Folgetag verkündete Verfassung der Republik Krim beschreibt sie als Teil der Ukraine. Am 21. Mai 1992 wurde die Unabhängigkeit der Krim wieder zurückgezogen. Am 1. Juni 1992 einigten sich die Parlamentspräsidenten der Krim und der Ukraine auf einen wirtschaftlichen Sonderstatus für die Krim und den Verbleib der Halbinsel bei der Ukraine.
Am 21. Mai 1992 hat der Kongress der Volksdeputierten der RSFSR die Abtretung der Krim an die Ukraine im Jahr 1954 für nicht rechtmäßig erklärt. Am 30. Juni 1992 beschloss das ukrainische Parlament mit 246 gegen 4 Stimmen für ein Gesetz, das der Krim weitestgehende Autonomie einräumt. Danach ist die Halbinsel Krim ein autonomer Bestandteil der Ukraine und die Bereiche Außenpolitik, Verteidigung und Währungspolitik verbleiben bei der Ukraine. Die autonome Krim erhält das Recht, die Außenwirtschaftsbeziehungen, die Sozial- und Kulturpolitik eigenständig zu gestalten und kann allein über die Bodenschätze (bspw. Erdgas) verfügen. Ein Anschluss der Krim an ein anderes Land bedarf der Zustimmung des ukrainischen Parlaments und des Parlaments der Krim. Eine Stationierung von Streitkräften bedarf der Zustimmung des Parlaments der Krim.
Am 21. September 1994 wurde die bisherige Republik Krim zur Autonomen Republik Krim. Es folgte eine verbale Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland. Die separatistischen Kräfte zogen schließlich ein Referendum zurück, das auf einen Anschluss der Krim an Russland gezielt hatte. Als Kompromiss wurden die Rechte der Krim als Autonome Republik der Ukraine ausgeweitet. Nach weiteren Machtkämpfen in den folgenden Jahren erhielt die Krim schließlich in der Verfassung von 1995, die 1998 nochmals überarbeitet wurde, erneut den Status einer Autonomen Republik als „integraler Bestandteil der Ukraine“, mit eigener Regionalregierung, eigenem Parlament, aber ohne eigenen Staatspräsidenten.
Im Jahr 2014 fand jedoch gegen den Willen der ukrainischen Regierung unter einer Russischen Okkupation ein Referendum über den Status der Krim statt, bei dem angeblich 97 % der Wähler für einen Beitritt zu Russland stimmten. Die anschließende Annexion der Krim als russisches Föderationsobjekt wird von der Ukraine und der absoluten Mehrheit der UNO-Staaten nicht anerkannt.
Sicherheitspolitik
→ Siehe auch: Ukrainische Streitkräfte
Anfangsschritte zur ukrainischen Sicherheitspolitik
Am 16. Juli 1990 verabschiedete der Oberste Sowjet der Ukrainischen SSR die Erklärung ‚über die staatliche Souveränität der Ukraine‘, die „die Vorherrschaft, Unabhängigkeit, Vollständigkeit und Unteilbarkeit der Macht der Republik auf ihrem Territorium“ und die Absicht verkündete, in Zukunft ein dauerhaft neutraler Staat zu werden, der nicht an Militärblöcken teilnehmen wird und sich verpflichtet, keine Atomwaffen einzusetzen, zu produzieren oder zu erwerben. Am 24. August 1991, nach der Proklamation der Unabhängigkeit der Ukraine, wurde das Verteidigungsministerium der Ukraine geschaffen und ihm alle militärischen Formationen der Streitkräfte der UdSSR auf dem Territorium der ehemaligen Ukrainischen SSR unterstellt.
Infolge der Unabhängigkeitserklärungen weiterer Sowjetrepubliken im Laufe des Jahres 1991 wurde vom 21. bis zum 25. Dezember 1991 die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR, russisch СССР) offiziell aufgelöst.
Am 2. Januar 1992 verfügte Präsident Leonid Krawtschuk die Unterstellung aller auf dem Territorium der Ukraine stationierten vormals sowjetischen Truppen einschließlich der Schwarzmeerflotte unter ukrainischen Oberbefehl. Ausgeschlossen wurden nur die strategischen Militärformationen.
Am 26. März 1992 wurde per Dekret des Präsidenten die Rückkehr aller ukrainischen Wehrpflichtigen aus Armenien, Aserbaidschan und aus Moldawien bis zum 20. Mai 1992 angeordnet.
Am 3. Juli 1992 wurde auch der Rat für Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine (ukrainisch Рада національної безпеки і оборони України, Abkürzung РНБОУ /RNBOU) gegründet. Er ist ein staatliches Gremium der Ukraine und erhielt zunächst die Bezeichnung Nationaler Sicherheitsrat. Seine Aufgabe ist es laut Artikel 107 der Verfassung der Ukraine, den Präsidenten bei Fragen zur inneren und äußeren Sicherheitspolitik zu beraten. Der Rat hat sich auch mit Themen außerhalb der traditionellen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beschäftigt, zum Beispiel mit Innenpolitik und Energiepolitik.
Schritte zum nichtnuklearen Status der Ukraine
Nach der Unabhängigkeit wurde die Ukraine aus der Hinterlassenschaft der Sowjetunion mit 130 Interkontinentalrakete UR-100N (SS-19) und 46 vom Typ RT-23 (NATO-Codename: SS-24) zur drittgrößten Atommacht der Welt.
Im Mai 1992 begann auch der Abtransport der in der Ukraine stationierten taktischen Kernwaffen nach Russland.
Am 2. Juli 1993 enthielt eine Grundsatzerklärung offiziell den Verzicht auf die Atomwaffen und dass die Ukraine zukünftig atomwaffenfrei sein soll. Am 15. Juli 1993 begann der Abbau der auf dem ukrainischen Territorium stationierten SS-19. Die Raketen wurden zur Verschrottung nach Russland gebracht. Die Gefechtsköpfe blieben anfangs noch in der Ukraine, bis der Nachfolgestatus der Sowjetunion und Russlands in Bezug auf die Atomwaffen international geklärt war. Die Ukraine forderte für ihren Verzicht auf Atomwaffen von den Atommächten Sicherheitsgarantien für ihr Land und finanzielle Unterstützung.
Am 14. Januar 1994 unterzeichneten die Präsidenten Russlands, der Ukraine und der Vereinigten Staaten von Amerika die Trilaterale Erklärung zur Vorbereitung für das Abkommen über die Vernichtung der auf ukrainischem Staatsgebiet stationierten Kernwaffen, womit der nichtnukleare Status der Ukraine endgültig bestätigt wurde. Das Budapester Memorandum wurde schließlich am 5. Dezember 1994 in Budapest im Rahmen der dort stattfindenden KSZE-Konferenz unterzeichnet.
Im Gegenzug erhielt die Ukraine Sicherheitsgarantien von Russland und den USA. Dazu gehörte die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität sowie die Zusage, keine Atomwaffen gegen sie einzusetzen. Russland bricht die ersten drei Zusagen seit März 2014 (Annexion der Krim, Krieg im Donbas) und noch mehr seit dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022.
Russland und die Ukraine schlossen am 31. Mai 1997 in Kiew einen Freundschaftsvertrag; darin verpflichtete sich Russland erneut, die Grenze zwischen beiden Ländern nicht zu verletzen.
Sicherheitspolitische Konzepte
Nach gemeinsamen Manövern von US-amerikanischen und ukrainischen Truppen 1995 in der Westukraine beschloss die NATO im Juli 1997 eine „Charta über besondere Partnerschaft“ mit der Ukraine.
Ukrainische Kontingente beteiligten sich an NATO-geführten militärischen Interventionen in den Jugoslawienkriegen, im Irakkrieg und in Afghanistan.
Auftrag und Funktion der Streitkräfte der Ukraine wurden in den staatlichen Dokumenten (‘Militärstrategie der Ukraine’ 2007, 2012, 2015, 2020) festgelegt. Russland war in diesen Dokumenten bis 2014 nicht als Bedrohung eingeordnet.
Nach zeitgleichen, durch Interventionen russischer Paramilitärs erfolgten bewaffneten Besetzungen von Behörden Anfang April 2014 erging am 14. April der Erlass № 405/2014 der den Übergang der Ukraine zur militärischen Anti-Terror-Operation (ATO) gegen die Autonomisten im Donbass, auf der Krim und in Sewastopol erklärte. Der Erlass wurde von Oleksandr Turtschynow unterzeichnet.
Die politischen Anstrengungen der ukrainischen Regierung nach 2014 zur Wiedereingliederung der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol in den ukrainischen Staatsverband widerspiegelten sich auch in der ‘Militärstrategie der Ukraine’ der Jahre 2015 und 2020.
Mit dem Gesetz der Ukraine vom 18. Januar 2018 ‚Zur staatlichen Politik in den vorübergehend besetzten Territorien der Gebiete Donezk und Luhansk‘ wurde die „ATO“ abgelöst durch eine Operation der gemeinsamen Kräfte (Joint Forces Operation) und wurden Sicherheitszonen eingerichtet. Der „Befehlshaber der Vereinten Kräfte“ (ukrainisch – Командувач об’єднаних сил) übernahm die Führung der in der Sicherheitszone handelnden Kräfte und Mittel der Streitkräfte der Ukraine, des Innenministeriums der Ukraine, der Nationalpolizei der Ukraine und des zentralen Exekutivorgans, das die staatliche Politik im Bereich des Katastrophenschutzes umsetzt.
Seit 25. Februar 2021 ist die „Strategie der militärischen Sicherheit der Ukraine“ (`Militärstrategie’ 2021) inkraft, die bestimmt, dass „ein neues Modell der Organisation der Verteidigung der Ukraine, der Streitkräfte der Ukraine und anderer Komponenten der Verteidigungsstreitkräfte … die Beilegung des Konflikts, die Demobilisierung, die Wiederherstellung der Kontrolle über die Einhaltung des Regimes der Staatsgrenze der Ukraine und Wiedereingliederung der vorübergehend besetzten Gebiete … gewährleisten sollte.“
Unmittelbar davor wurde am 24. März 2021 von Präsident Selenskyj durch den Erlass № 117/2021 der Beschluss des Rates für Nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine vom 11. März 2021 und die „Strategie zur Beendigung des Besatzungsregimes und der Wiedereingliederung des vorübergehend besetzten Territoriums der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol“ bestätigt und die Umsetzung angeordnet.
Krawtschuk und Kutschma
Seit ihrer Unabhängigkeit kämpfte die Ukraine vor allem in den 1990er Jahren mit starken wirtschaftlichen Problemen und versucht, außenpolitisch zum einen, eine neutrale Rolle sowohl dem Westen als auch Russland gegenüber zu spielen. In Sewastopol auf der Krim hat die Ukraine einen Militärhafen an die russische Schwarzmeerflotte verpachtet, andererseits bemüht sich die Ukraine um stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit von Russland, beispielsweise mit der Gründung der Sicherheitsallianz GUAM (Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien) im Jahr 1997.
Von 1991 bis 1994 war Leonid Krawtschuk der erste Präsident der Ukraine. Aufgrund eines Streiks von Bergarbeitern im Donbass setzte er vorgezogene Wahlen an. Leonid Krawtschuk schuf mit seiner Amtsabgabe nach der verlorenen Stichwahl gegen Leonid Kutschma einen wichtigen Präzedenzfall für die ukrainische Politik: Er klammerte sich nicht an die Macht und verließ seinen Posten, womit er die Tradition des Machtwechsels in der Ukraine begründete.
Von 1992 bis zu seinem Rücktritt im September 1993 war der deutlich russlandfreundlichere Leonid Kutschma Ministerpräsident und seit 1994 Präsident der Ukraine. 1999 wurde er erneut zum Präsidenten gewählt. In seiner Amtszeit als Präsident setzte er sich ab 1994 verstärkt für eine neue Verfassung ein, konnte sich aber gegen ein Bündnis von Links-Parteien nicht durchsetzen. Erst im Juni 1996 nahm das Parlament die neue Verfassung an.
Vom 22. Dezember 1999 bis 29. Mai 2001 war Wiktor Juschtschenko Ministerpräsident der Ukraine, dieses Amt verlor er 2001 durch ein Misstrauensvotum des Parlaments, als er mit seinen Bemühungen gegen die wachsende Korruption einigen Oligarchen gefährlich wurde. Nachfolger im Amt des Premierministers wurde der aus Mykolajiw stammende Anatolij Kinach (Partei der Industriellen und Unternehmer Ukraine/PPPU), danach ab 21. November 2002 Wiktor Janukowytsch, der am 31. Dezember 2004 seinen Rücktritt ankündigte. Präsident Kutschma nahm das Rücktrittsgesuch Janukowytschs am 5. Januar 2005 an und bestimmte den Ersten Stellvertreter des Regierungschefs und Finanzminister Mykola Asarow zu Janukowytschs Nachfolger. Asarow war vor seiner Tätigkeit in der Regierung seit Oktober 1996 Leiter der Staatlichen Steuerbehörde.
„Orange Revolution“
Im Herbst 2004 fanden Präsidentschaftswahlen statt. Der seit 1994 amtierende Präsident Leonid Kutschma durfte laut Verfassung nach zwei Amtszeiten nicht mehr zu dieser Wahl antreten, die allgemein als Richtungswahl für eine West- oder Ostausrichtung des Landes angesehen wurde. Die Ereignisse um die Stichwahl am 21. November mündeten in die sogenannte Orange Revolution, einem mehrwöchigen friedlichen Protest gegen Wahlfälschungen, in dessen Folge nach einem Beschluss des Obersten Gerichts am 26. Dezember 2004 die Stichwahl wiederholt wurde. Die Wiederholungswahl konnte Wiktor Juschtschenko für sich entscheiden. Die für eine Ausrichtung nach Russland eintretende Seite unter Kutschma und Janukowytsch erkannte ihre Niederlage an, nachdem sie mit der Gegenseite eine zu verwirklichende Verfassungsreform ausgehandelt hatte. Diese sollte die Ukraine, die bislang durch ein präsidiales System regiert wurde, in eine parlamentarische Republik umwandeln. Nach Umsetzung der Reform war die Position des Präsidenten deutlich geschwächt.
Die Präsidentschaft Juschtschenko
Nach der Amtseinführung von Präsident Wiktor Juschtschenko im Januar 2005 bestätigte das ukrainische Parlament (Werchowna Rada) am 4. Februar 2005 die neue Regierung unter Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko. Während der ersten 100 Tage der Regierung Tymoschenko wurden die Privatisierungen einiger großer Unternehmen (Kryworischstal) aus der Zeit des früheren Präsidenten Kutschma überprüft. Es zeigte sich auch, wie schon im Wahlkampf, dass die Positionen von Präsident Juschtschenko und Ministerpräsidentin Tymoschenko in der Wahl der Mittel teilweise differierten. So kam es schon nach wenigen Monaten zum Zerwürfnis: Am 8. September 2005 entließ der Präsident die Regierung Tymoschenko im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen und Konflikten innerhalb des Kabinetts. Neuer Regierungschef wurde der Wirtschaftspolitiker Jurij Jechanurow.
Gemeinsam mit Georgien trieb Juschtschenko den Beitritt der Ukraine zur NATO voran. Ein NATO-Gipfel lehnte den Antrag jedoch trotz amerikanischer Unterstützung ab.
Wirtschaftspolitisch strebte Juschtschenko eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine an, kam aber über einen Beitritt zur Östlichen Partnerschaft nicht hinaus.
Nationalpolitisch nahm Juschtschenko für Personen der ukrainischen Geschichte Stellung, die die ukrainische Bevölkerung stark polarisierten. Dazu gehörte der Oberkommandierende Roman Schuchewytsch der Ukrainischen Aufständischen Armee. Stepan Bandera, der als militanter Nationalist mit der nationalsozialistischen Besatzungsmacht in Polen kollaborierte, ernannte er zum Helden der Ukraine.
Aus den Parlamentswahlen 2006 ging die Partei des Präsidenten (Unsere Ukraine) nur als drittstärkste Kraft hervor. Wahlsiegerin war Wiktor Janukowytschs Partei der Regionen, er selber wurde zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Das politische Geschehen war nun von einem Machtkampf zwischen Regierung und Präsident geprägt. Schließlich löste Präsident Juschtschenko das Parlament auf und es kam zu neuerlichen Parlamentswahlen im September 2007. Erneut wurde die Partei der Regionen stärkste Kraft, doch konnten sich diesmal die Parteien von Juschtschenko und Tymoschenko auf eine Koalition einigen. Tymoschenko wurde darauf zum zweiten Mal Ministerpräsidentin. Der politische Machtkampf zwischen Präsident, Regierung und Parlament indes dauerte an. Für Juschtschenko und Tymoschenko führte er in Niederlagen: Der Präsident wurde Anfang 2010 bei den Präsidentschaftswahlen nicht mehr gewählt und Tymoschenko verlor kurz darauf ihr Amt als Regierungschefin. Stattdessen wurde Wiktor Janukowytsch der neue Präsident der Ukraine.
Präsidentschaft Janukowytsch und die „Revolution der Würde“
Präsident der Ukraine war vom 25. Februar 2010 bis 22. Februar 2014 Wiktor Janukowytsch. Der Nachfolger Janukowytschs als Vorsitzender der Partei der Regionen, Mykola Asarow, war seit 11. März 2010 Ministerpräsident.
Während der Fußball-Europameisterschaft 2012 wurde die Willkürjustiz der Regierung Janukowytsch und die Behandlung der inhaftierten Oppositionsführerin Julija Tymoschenko kritisiert.
Ab dem November 2013 kam es zu Protesten gegen das Regime von Wiktor Janukowytsch, welche zunächst unter dem Titel Euromaidan bekannt wurden und heute in der Ukraine als „Revolution der Würde“ bezeichnet werden, wobei im Februar 2014 rund 100 Tote zu verzeichnen waren. Janukowytsch wurde am 22. Februar 2014, als er in Donezk versucht hatte, das Land zu verlassen, vom Parlament abgesetzt. und flüchtete nach Russland.
Der vom Parlament genannte Grund, dass er durch Verlassen des Landes seine Präsidentschaft verwirkt hätte, war in der Verfassung nicht vorgesehen. Der Rechtsanwalt Jasper Finke unterschied in dieser Frage zwischen Verfassungsrecht und Völkerrecht: „Es ist völlig unerheblich, ob Janukowitsch noch rechtmäßiger Präsident der Ukraine ist nach dem ukrainischen Verfassungsrecht. Denn hier greift der sogenannte Effektivitätsgrundsatz – das heißt, völkerrechtlich kommt es darauf an, ob die neue Regierung effektiv Herrschaftsgewalt in der Ukraine ausübt.“
Übergangsregierung und Annexion der Krim durch Russland
Anschließend kam es zur russischen Annexion der Krim. Ein Teil des Parlaments der Krim beschloss in einer ungültigen Sitzung ein Referendum, das von der ukrainischen Verfassung nicht erlaubt war, unter russischen Truppen stattfand und gefälscht wurde. Am 18. März 2014 trat die Krim aufgrund dieser Vorgänge der Russischen Föderation bei. Von fast allen Staaten wird das Ergebnis des Referendums nicht anerkannt und die Krim weiterhin als Territorium der Ukraine behandelt. Nach dem Anschluss der Krim erfolgte eine russische bzw. pro-russische Operation mit dem Ziel der Destabilisierung von Regionen der Ukraine mit einem bedeutsamen Anteil russischsprachiger Bevölkerung, insbesondere Charkiw, Luhansk und Donezk. Während sich in Charkiw die Lage rasch beruhigte, bildeten sich in den Oblasten Luhansk und Donezk unter Anleitung russischer Spezialeinheiten bewaffnete Milizen.
Am 18. März hatte Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk in einer an die Bevölkerung der Ostukraine gerichteten Rede eine Dezentralisierung in Aussicht gestellt, trotz dem Wissen, dass die Forderung nach „mehr Föderalismus“ ein Schachzug Moskaus sei und vermutlich „der erste Schritt, um die ukrainische Souveränität zu zerstören.“ Am 11. April sprachen sich Jazenjuk und Präsidentschaftskandidat Petro Poroschenko dafür aus, den Entwurf für eine neue ukrainische Verfassung noch vor den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai zu veröffentlichen.
Am 6. Mai 2014 lehnte das ukrainische Parlament den Vorschlag der Regierung ab, am 25. Mai gleichzeitig zur Wahl des Präsidenten landesweit auch eine Volksbefragung zum Thema der Dezentralisierung abzuhalten. Die Dezentralisierung fand bis 2019 vorwiegend durch Kompetenzerweiterung auf kommunaler Ebene statt. Die Stärkung lokaler Selbstverwaltung im Sinne der Demokratie- sowie Subsidiaritätsprinzipien der EU erhöhte gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der Ukraine gegenüber Russlands hybrider Kriegsführung.
Russland ließ derweil im Frühjahr 2014 Freischärler einsickern und lieferte im Juni schwere Waffen bis hin zu Kampfpanzern.
Am 28. Juli 2014 meldete das UNHCHR den totalen Zusammenbruch von Recht und Ordnung in den fraglichen Gebieten, von einer Terrorherrschaft der bewaffneten Gruppen über die Bevölkerung der Ostukraine mit Freiheitsberaubungen, Entführungen, Folterungen und Exekutionen.
Legitim gewählte Regierungen, Separatismus im Osten und russische Invasion
Am 2. Dezember 2014 wurde eine Koalitionsregierung, die sich nach der Parlamentswahl Ende Oktober gebildet hatte, eingesetzt. Arsenij Jazenjuk wurde als Ministerpräsident bestätigt. Die Amtseinführung des Präsidenten Petro Poroschenko fand am 7. Juni 2014 statt.
Im Jahre 2016 wurde mit Wolodymyr Hrojsman erstmals eine Person jüdischer Herkunft zum Ministerpräsidenten des Landes gewählt, 2019 mit Wolodymyr Selenskyj erstmals ein jüdischer Präsident der Ukraine.
In die Regierungszeit (Poroschenko/Hrjosman) fällt das Gesetz der Ukraine vom 18. Januar 2018 ‘Zur staatlichen Politik in den vorübergehend besetzten Territorien der Gebiete Donezk und Luhansk’, das Festlegungen zur Einrichtung von „Sicherheitszonen“ trifft, die an die Kontaktlinie im Donbass angrenzen. Ein vom Präsidenten ernannter „Befehlshaber der Vereinten Kräfte“ (ukrainisch – Командувач об’єднаних сил) übernimmt die Führung der in der Sicherheitszone handelnden Kräfte und Mittel der Streitkräfte der Ukraine, anderer militärischer Formationen, die in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Ukraine gebildet wurden, des Innenministeriums der Ukraine, der Nationalpolizei der Ukraine, des zentralen Exekutivorgans, das die staatliche Politik im Bereich des Katastrophenschutzes umsetzt, die an der Umsetzung von Maßnahmen zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit und Verteidigung beteiligt sind.
Nachdem der studierte und diplomierte Rechtswissenschaftler, ehemalige Schauspieler und Regisseur Wolodymyr Selenskyj am 31. März 2019 den ersten Wahlgang und am 21. April die Stichwahl der Präsidentschaftswahl in der Ukraine gegen den Amtsinhaber klar gewonnen hatte, wurde er am 20. Mai 2019 in Kiew in das Amt des Präsidenten eingeführt.
Der ukrainischen Regierung gelang es nicht, die von regierungsfeindlichen Kräften beherrschten Gebiete wieder in ihr Staatswesen zu integrieren. Sie werden seit Februar 2022 von Russland als unabhängig anerkannt und stehen unter der Kontrolle der selbsternannten und von Russland abhängigen „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk.
Trotz oder gerade wegen des schwachen Staats, so der Historiker Philipp Ther, habe sich in der Ukraine eine relativ starke Zivilgesellschaft entwickelt. Zudem habe sich ein funktionierender politischer Wettbewerb etabliert.
Am 24. Februar 2022 griff die Russische Armee die Ukraine an: Die russischen Streitkräfte attackierten die Ukraine auch vom Schwarzen Meer und von Belarus aus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief aufgrund der russischen Überfalls auf die Ukraine den Kriegszustand sowie das Kriegsrecht im Land aus. Die Invasion trägt alle Kennzeichen eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. Am 30. September 2022 kam es zur russischen Annexion der Süd- und Ostukraine.
Karten
Siehe auch
- Geschichte der Ukraine während des Zweiten Weltkriegs
- Geschichte der Ukraine (seit 1991)
- Geschichte der Karpatenukraine
- Geschichte der Juden in der Ukraine
- Geschichte Russlands
Literatur
- Franziska Bruder: „Den ukrainischen Staat erkämpfen oder sterben!“ Die Organisation ukrainischer Nationalisten (OUN) 1928–1948. Metropol, Berlin 2007, ISBN 978-3-938690-33-8.
- Roman Danyluk: Freiheit und Gerechtigkeit. Die Geschichte der Ukraine aus libertärer Sicht. Edition AV, Lich 2010, ISBN 978-3-86841-029-7.
- Johann Christian Engel. Geschichte der Ukraine und der ukrainischen Cosaken, wie auch der Königreiche Halitsch und Wladimir. Johann Jakob Gebauer, Halle 1796 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
- Frank Golczewski: Deutsche und Ukrainer, 1914–1939. Schöningh, Paderborn 2010, ISBN 978-3-506-76373-0.
- Frank Grelka: Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft 1918 und 1941/42. Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-05259-7.
- Kerstin S. Jobst: Geschichte der Ukraine. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2015, ISBN 978-3-15-019320-4 (Rezension der Erstauflage 2010).
- Andreas Kappeler: Kleine Geschichte der Ukraine. 5., aktualisierte Auflage. C.H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73558-5.
- Georgiy Kasianov: Memory Crash. Politics of History In and Around Ukraine, 1980s–2010s, Central European University Press 2022
- Michel Kazanski, Jürgen Udolph: Ukraine. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 31, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2006, ISBN 3-11-018386-2, S. 372–391.
- Paul Robert Magocsi: A History of Ukraine. University of Toronto Press, Toronto 1996, ISBN 0-8020-0830-5.
- Serhii Plokhy: Das Tor Europas. Die Geschichte der Ukraine. Hoffmann und Campe, Hamburg 2022, ISBN 978-3-455-01526-3 (englisch: The Gates of Europe: A History of Ukraine. New York 2021).
- Anna Reid: Borderland. A Journey Through the History of Ukraine. Phoenix 1997, ISBN 1-84212-722-5.
- Mykola Rjabtschuk: Die reale und die imaginierte Ukraine. Essay. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-12418-8.
- Thomas Sandkühler: Endlösung in Galizien. Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz 1941–1944. Dietz Nachfolger, Bonn 1996, ISBN 3-8012-5022-9.
- Gerhard Simon (Hrsg.): Die neue Ukraine. Gesellschaft-Wirtschaft-Politik (1991–2001). Böhlau, Köln/Wien 2002, ISBN 3-412-12401-X.
- Timothy Snyder: Bloodlands: Europa zwischen Hitler und Stalin. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62184-0.
- Kai Struve: Bauern und Nation in Galizien. Über Zugehörigkeit und soziale Emanzipation im 19. Jahrhundert (Schriften des Simon-Dubnow-Instituts). Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-36982-4 (über die Integration der Bauern in die polnische und ruthenisch-ukrainische Nation).
- Ricarda Vulpius: Nationalisierung der Religion. Russifizierungspolitik und ukrainische Nationsbildung 1860–1920 (= Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, Band 64). Verlag Harrassowitz, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-05275-9.
- Torsten Wehrhahn: Die Westukrainische Volksrepublik. Zu den polnisch-ukrainischen Beziehungen und dem Problem der ukrainischen Staatlichkeit in den Jahren 1918 bis 1923. Berlin 2004, ISBN 3-89998-045-X (Leseprobe (PDF, 157 kB); Rezension).
- Andreas Kappeler: Vom Land der Kosaken zum Land der Bauern Die Ukraine im Horizont des Westens vom 16. bis 19. Jahrhundert. Böhlau Verlag Wien, Wien 2020, ISBN 978-3-205-21222-5 (google.de).
Dokumentarfilm
- ZDF-History 19. März 2022: Im Fadenkreuz Moskaus – die Geschichte der Ukraine
Weblinks
- Marieluise Beck (Hrsg.): Ukraine verstehen. Auf den Spuren von Terror und Gewalt. Zentrum Liberale Moderne. 2020
- NZZ: Die Ukraine und ihr erdrückender grosser Bruder, 29. Dezember 2022